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Lebenszeichen ⋮ Znaki Życia. Polen und der Zweite Weltkrieg – Erinnerungsorte in Deutschland

Autor/Autorka Julia Röttjer, Christof Schimsheimer
Opieka redakcyjna Deutsches Polen-Institut

Ähnlich wie in Polen ist auch in Deutschland der Zweite Weltkrieg fast allgegenwärtig. Keine Stadt ohne Gedenkorte, kaum ein Friedhof ohne Erinnerungen an die Zeit zwischen 1939 und 1945. Dennoch unterscheiden sich die Erinnerungslandschaften beider Länder stark. In Polen, das vom Deutschen Reich überfallen wurde, und Schauplatz bestialischer deutscher Verbrechen an der polnischen Zivilbevölkerung und des industriellen Völkermords an den europäischen Juden wurde, entstanden schon seit den ersten Jahren nach dem Krieg Denkmäler, Gedenkstätten, Gedenktafeln. Dagegen taten sich die beiden deutschen Staaten schwer mit ihrem Erbe, der Erinnerung und der Auseinandersetzung mit ihrer Täterschaft. Trauer und Scham, Erinnerung und Vergessen gingen in der deutschen Erinnerungskultur der Nachkriegsjahrzehnte miteinander einher. Aber wie steht es mit Polens Platz in diesem Erinnern? Die Planungen für einen zentralen Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen schreiten voran. Zugleich existieren dezentral bereits in unzähligen Orten Gedenkzeichen in Form von Erinnerungstafeln, Denkmalen oder Grabstellen. Zahlreiche Einträge über Orte der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg mit Bezug zu Polen finden sich etwa im Portal der digitalen Dokumentationsstelle zur Kultur der Geschichte der Pol:innen in Deutschland Porta Polonica. Eine Übersicht über viele Friedhöfe mit polnischen Gräbern bietet eine Seite der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung, einige weitere Projekte vermitteln einen Überblick über eine Reihe von Gedenkorten in Deutschland und auch in Polen (s. etwa dieses Projekt des Deutsch-Polnischen Jugendwerks).

Einer umfassenden und systematisch angelegten Erforschung von Gedenkzeichen und Spuren polnischen Lebens, die auf einer regionalen Basis übergreifende Erkenntnisse über die Erinnerung an diese Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Deutschland – und damit über ein wichtiges Feld der deutsch-polnischen Beziehungen – ermöglicht, widmet sich ein Vorhaben des Deutschen Polen-Instituts.

Ein Langzeitprojekt zur Erforschung polnischer Spuren in den Regionen

Seit Anfang 2021 läuft am Deutschen Polen-Institut das Projekt Lebenszeichen ⋮ Znaki Życia. Polen und der Zweite Weltkrieg – Erinnerungsorte in Deutschland. Das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderte Projekt dient der Erforschung, Dokumentation und Vermittlung von Erinnerung an Polinnen und Polen, die sich während des Zweiten Weltkriegs oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang in Deutschland befanden – in ganz Deutschland, aber mit einem regionalen und lokalen Fokus. Als erste Projektregion wurde das Gebiet der heutigen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland ausgewählt. Seit Anfang 2022 wird auch Hessen in den Blick genommen, die Vorbereitungen für ein ähnlich gelagertes Projekt in Niedersachsen laufen; mittel- und langfristig sollen weitere Bundesländer folgen.

Obwohl die Erinnerungsorte in erster Linie ein Gedenken an die Opfer und die Toten darstellen, sind sie zugleich oft die einzigen sichtbaren Zeichen, die auf das damalige Leben von Polinnen und Polen in der Region verweisen. Orte, an denen Spuren zu finden sind, die auf die polnische Geschichte des jeweiligen Ortes verweisen und an denen es keine offizielle Erinnerung in Form von Mahnmalen, Gedenksteinen, Plaketten, öffentlichen Traditionen u. ä. gibt, werden ebenfalls untersucht. Erforscht werden die Entstehung von Erinnerungsorten, Kontroversen vor Ort, Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern und Verbindungen nach Polen, die aus diesen historischen Zusammenhängen hervorgegangen sind.

Die allermeisten polnischen Schicksale, auf die durch diese Erinnerungszeichen verwiesen wird, handeln von Zwangsarbeit – in der Landwirtschaft, in Betrieben, Fabriken, teilweise organisiert in Konzentrationslagern. Von den Millionen Frauen und Männern, die während des Zweiten Weltkriegs zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verbracht wurden, verteilte das NS-Regime auch über 400.000 Menschen auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Aber das Projekt interessiert sich für Formen der Erinnerung an ganz unterschiedliche Schicksale, nicht nur im Kontext von Zwangsarbeit, auch wenn das mit Abstand die meisten Fälle sind. Hinweise auf polnische Jüdinnen und Juden und auf displaced persons sollen ebenfalls untersucht werden, wie auch solche auf polnische Mitglieder der alliierten Streitkräfte und andere mehr.

Erinnerungskultur seit dem Zweiten Weltkrieg bis heute

Durch den Untersuchungsgegenstand der Erinnerungszeichen lassen sich zunächst Aussagen über die erinnernden Akteure und ihren gesellschaftlichen Kontext treffen. Wer hat zu welchen Zeiten was erinnert und warum, mit welchen Methoden? Was wurde aktiv vergessen, was ist nicht (mehr) sichtbar? Aus welchen lokalen Diskursen ist schließlich kein Erinnerungsort hervorgegangen? Welche Dynamiken des Gedenkens, Zäsuren und regionalen Spezifika sind zu beobachten? Solch übergreifende Fragestellungen weisen über den Charakter einer Grundlagen-Dokumentation hinaus und sind zugleich mit methodischen Herausforderungen verbunden.

In Rheinland-Pfalz war es anfangs die französische Militärregierung, die erinnernd tätig wurde. Auf dem Waldfriedhof in Mainz-Mombach wurden zwischen 1947 und 1950 über 3.000 polnische, sowjetische und tschechische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter:innen sowie deren Kinder aus ganz Rheinland-Pfalz beerdigt. Die Erinnerung an die polnischen Schicksale ist hier, wie in anderen Fällen auch, nicht unmittelbar sichtbar – es wird in Form eines Mahnmals einzig an die sowjetischen Opfer erinnert – und bedarf weiterer Aufarbeitung.

In Bad Kreuznach wurden 1979 auf dem Hauptfriedhof zwei Tafeln angebracht, die an die ehemaligen KZ-Häftlinge eines Außenkommandos des Konzentrationslagers Sachsenhausen erinnern, die in der Nähe Zwangsarbeit an einer Eisenbahnbrücke leisten mussten. Unter den hier im Frühjahr 1945 ermordeten und in Sammelgräbern bestatteten Menschen befanden sich auch vier Polen, die mit Name und Geburtsdatum aufgeführt sind.

In Münstermaifeld (Rheinland-Pfalz) und in Bonn erinnern zwei Gedenkzeichen an Bolesław Stachowiak, geboren 1914 im Dorf Czerwonak bei Posen (Poznań). Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 geriet er in Kriegsgefangenschaft und wurde zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt. Im Ort Mörz, heute Teil von Münstermaifeld in Rheinland-Pfalz, musste er auf einem Bauernhof arbeiten. Dort lernte er die Bauerstocher Katharina S. kennen. Aus ihrer Beziehung ging ein gemeinsames Kind hervor – dies sollte für Stachowiak den Tod durch Erhängen und für S. die Inhaftierung im Konzentrationslager Ravensbrück bedeuten. Seit Ende der 1950er Jahre erinnert eine Platte mit Stachowiaks Namen und Lebensdaten auf dem Bonner Nordfriedhof in einer Sammelgrabanlage als Teil des Ehrengrabfelds an seine Grabstätte. Auf Initiative des Fördervereins Synagoge Münstermaifeld e.V. ist seit September 2021 ein Stolperstein für Stachowiak vor dem Hof, auf dem er leben und arbeiten musste, verlegt.

Ähnliche Gedenkzeichen gibt es vielerorts im Südwesten. Viele sind vor Ort bekannt, Regionalhistoriker:innen und engagierte Bürger:innen haben ihre Entstehung erforscht. Doch zu vielen ist der Kontext in Vergessenheit geraten oder in der Öffentlichkeit nicht präsent, eine Zusammenschau fehlt.

Erinnerte (Opfer-)Biografien als Geschichte handelnder Subjekte

Zugleich geht es auch darum, diesen von materiellen Spuren und der Erinnerung ausgehenden Fokus zu erweitern und noch stärker die Biografien der Personen, die diese Spuren hinterlassen haben oder denen die Erinnerungszeichen gewidmet sind, zu berücksichtigen – innerhalb und außerhalb ihrer Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland. Ziel ist es, in den Fällen, in denen es Anknüpfungspunkte gibt, eine umfassendere Geschichte zu erzählen. Woher kamen die Polinnen und Polen, die meist unfreiwillig ins Deutsche Reich gebracht wurden? Wer waren sie und wie hatten sie zuvor gelebt? Und wohin führten die Wege der Überlebenden nach dem Krieg? Einige Menschen blieben in der Region, gingen vielfältige Verbindungen ein und lebten jahrzehntelang an den Orten, an denen sie zuvor Zwangsarbeit hatten leisten müssen. Diese Lebenszeichen sollen nicht nur als Spuren von Opfern des menschenverachtenden NS-Regimes gesehen werden, sondern auch als die von handelnden Subjekten, die aus ihrer früheren Existenz gerissen wurden, um ihr Überleben kämpften, sich arrangierten, interagierten, Pläne schmiedeten, Heimweh hatten, in Deutschland lebten.

Methodische Herausforderungen

Die unterschiedlichen Ebenen dabei systematisch abzuwägen, sie an passender Stelle zu verbinden oder abzugrenzen, gehört sicher zu den methodischen Herausforderungen des Projekts. Zwei der gewichtigsten wurden hier angedeutet. Es ist einerseits das Spannungsfeld zwischen der Geschichte von Polinnen und Polen im nationalsozialistischen Deutschland und der Geschichte der Erinnerung in Deutschland – insbesondere für diese Ebene ist eine rasche Ausweitung auf Ostdeutschland nötig und geplant. Andererseits gilt es, die grundlegende Dokumentationsarbeit immer wieder mit einer darüber hinausweisenden Analyse erinnerungskultureller Entwicklungen zu verbinden.

Dyscypliny

Kulturoznawstwo Historia

Tematy

Druga wojna światowa Studia nad pamięcią Historia współczesna Stosunki polsko-niemieckie
zespół Pol-Int

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