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Forschen in Zeiten multipler Krisen? Herausforderungen und Perspektiven für die junge Osteuropawissenschaft – Bericht zum Workshop am 6. und 7. Juni 2023 in Halle

Seria: Młodzi badacze o polonoznawstwie

Einblick in die Diskussionen im Rahmen der World Cafés

 

Was tun, wenn der Zugang zu russischen Archiven für die Doktorarbeit zu Europäer:innen im Moskauer Staat des 17. Jahrhunderts versperrt ist, wenn die Archive in der Ukraine für die Untersuchung sowjetischer Kriegsgefangener zwischen 1941 und 1944 nicht mehr besucht werden können oder die Interviewpartner:innen zu Besitzverhältnissen in belarusischen Dörfern als wichtigste Datengrundlage für die Forschung plötzlich nicht mehr erreichbar sind, schlichtweg andere Prioritäten als Interviews mit Wissenschaftler:innen haben oder sie diese sogar in Gefahr bringen würden?!

Bei einem Blick auf die akademischen Viten vieler junger Wissenschaftler:innen wird deutlich, wie stark diese mit den jüngsten Krisen verbunden sind. Revolution der Würde, Krim-Annexion und Krieg im Donbas im Jahr 2014; Proteste in Belarus und die Corona-Krise seit 2020 und nun die Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine. Diese Ereignisse und Entwicklungen haben alle, die zum östlichen Europa forschen, in den letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen – inhaltlich, forschungsorganisatorisch, finanziell, emotional – bewegt und betroffen. Auf Promovierende und PostDocs trifft dies in besonderer Weise zu, denn sie sind systemisch bedingt weniger flexibel, was thematische und pragmatische "Ausweichmöglichkeiten" angeht. Der Krisenzustand avancierte für diese Generation von Osteuropawissenschaftler:innen gewissermaßen zum new normal.  Zudem sind viele junge Wissenschaftler:innen in zivilgesellschaftlichen und fachlichen Netzwerkwerken wie der Jungen Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (Junge DGO), der Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) oder dem Akademischen Netzwerk Osteuropa (akno) aktiv. Dies prägt ihren Blick auf Forschungsfragen und den eigenen Standort innerhalb der Forschungslandschaft und motiviert zur Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft und Wissenschaftler:innen.

Unmittelbar nach Beginn der großangelegten Invasion Russlands in die Ukraine im Februar 2022 suchten Sven Jaros und Anne Kluger den Austausch mit Martin Aust, dem Vorsitzenden des Verbands der Osteuropahistorikerinnen und -historiker (VOH), um über die Folgen des Krieges für die Osteuropawissenschaft zu sprechen. In einem Artikel in der FAZ hatte er diese Debatte bereits angestoßen. Das Ziel des Austausches war es, den Stimmen von Wissenschaftler:innen in der Qualifikationsphase in der Diskussion um die Zukunft der Forschung mehr Gehör zu verschaffen. Im Mai und November 2022 fanden zwei Online-Formate statt, in denen diese Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert wurden. Außerdem fand die Frage Eingang in die Mitgliederversammlungen des VOH und der DGO.

Das wichtigste Fazit der unterschiedlichen Formate war der Vorsatz, unbedingt im Gespräch zu bleiben, sich über gemeinsame bzw. ähnliche Schwierigkeiten auszutauschen und kollaborativ Lösungsansätze zu entwickeln. Anfang Juni dieses Jahres trafen sich dafür etwa 20 Wissenschaftler:innen aller Qualifizierungsstufen an der Martin-Luther-Universität in Halle (MLU), um die Auswirkungen der multiplen Krisen der jüngeren Gegenwart auf ihre jeweiligen Forschungsprozesse zu diskutieren. Organisiert wurde der Workshop von Lisa Füchte, Corinne Geering, Sven Jaros, Anne Kluger, Laura Krebs, Elisa Satjukow und Marie Schwarz. Das Format wurde gefördert durch das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), die MLU mit dem Aleksander-Brückner-Zentrum für Polenstudien, den Leibniz ScienceCampus Eastern Europe – Global Area (EEGA), den VOH sowie die DGO.

"It was a really great crowd that you brought together."

Der Hallenser Workshop war in drei Teile geteilt. Im ersten Block ging es um die spezifischen Herausforderungen, vor denen die Teilnehmer:innen bei der Arbeit an ihren Forschungsprojekten stehen. Diese wurden im Vorfeld abgefragt und geclustert. An drei World-Café-Tischen konnten sich die Teilnehmer:innen über die Themen Archivzugang, Zugang zum Feld und politische Rahmenbedingungen austauschen und klären, wo Hindernisse und Gesprächsbedarf bestehen und wobei sie sich Hilfe wünschen.

Im zweiten Block wurden Perspektiven zur Lösung dieser Schwierigkeiten aufgezeigt. Dafür hatten die Organisator:innen mit Christian Fröhlich (FU Berlin), Stefan Rohdewald (Universität Leipzig), Arnošt Štanzel und Gudrun Wirtz (BSB München) ausgewiesene Expert:innen eingeladen, die ausgehend von ihrem jeweiligen Fachwissen und ihrem Arbeitsbereich Alternativen für die Recherche und Datenerhebung aufzeigen konnten.

Im dritten und letzten Block trafen die Herausforderungen auf die Perspektiven. An nochmals drei World-Café-Tischen kamen die Teilnehmer:innen mit den Expert:innen ausgiebig ins Gespräch und loteten gemeinsam aus, wie die jeweiligen Möglichkeiten auf die spezifische Forschung der Teilnehmer:innen angewendet werden können und welche weiteren Bedarfe dafür ggf. noch bestehen. Im Rahmen des abendlichen Kolloquiums der Professur für Osteuropäische Geschichte bzw. des Aleksander-Brückner-Zentrums präsentierten Yvonne Kleinmann, Sven Jaros und Holger Zaunstöck (Franckesche Stiftungen) abschließend noch einige Fallbeispiele, die zeigen, wie laufende Forschungen in Halle auf die aktuellen Herausforderungen reagieren.

"I liked the good, friendly atmosphere during the workshop, it was very easy to exchange with the other participants. The experts were very well chosen – the burning issues were addressed and good solutions were suggested."

Die einzelnen World-Café-Runden zielten direkt auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmer:innen ab. Deutlich wurde die Vielfalt der Herausforderungen, die aus den politischen Situationen und ihren gesellschaftlichen Folgen im östlichen Europa resultieren. Nachwuchswissenschaftler:innen sehen sich mit geschlossenen Archiven und teils vernichteten Beständen konfrontiert. Forschungsfelder in der Ukraine, Russland und auch in Belarus bleiben auf unbestimmte Zeit unzugänglich. Rechtskonservative Regierungen, bspw. in Polen und Ungarn, sowie das Erstarken rechtsradikaler Strukturen gefährden die Wissenschaftsfreiheit; sensible Forschungsthemen können mit persönlichem Risiko verbunden sein. Wissenschaftliche Netzwerke wurden mit Beginn des Krieges unterbrochen oder aufgelöst und die Finanzierung von Projekten teilweise eingestellt.

Die von den Expert:innen präsentierten und im Gespräch mit den Teilnehmer:innen erarbeiteten Lösungsvorschläge nahmen direkt auf diese Herausforderungen Bezug. Sie reichten von praktischen Hilfestellungen wie der Vorstellung von Online-Sammlungen oder fachwissenschaftlichen Plattformen zur Diskussion über digitale Interviewführung. In den Gesprächen brachten die Teilnehmer:innen auch ihre eigenen Erfahrungen im Krisenmanagement mit ein.

Ein wichtiger Kontakt für Nachwuchswissenschaftler:innen, unabhängig ihres Forschungsstandorts, ist zweifellos die Bayerische Staatsbibliothek. Die Mitarbeiter:innen der Osteuropaabteilung können zahlreiche Kontakte in die internationale Wissenschaftscommunity vermitteln und ermöglichen die Teilhabe an einem breitgefächerten Netzwerk zu Institutionen in den ost- und ostmitteleuropäischen Raum. Diese können bei einem Feldeinstieg, der Suche von Interviewpartner:innen oder der Quellenbeschaffung behilflich sein. Aber nicht nur München und die Berliner Staatsbibliothek, sondern auch die jeweiligen Forschungs- und Universitätsbibliotheken vor Ort können wichtige Anlaufstellen sein. Hier empfiehlt sich die Kontaktaufnahme zu den jeweiligen Fachreferent:innen.

Die Teilnehmer:innen diskutierten außerdem die Möglichkeiten, die eine fortgesetzte Dezentrierung bzw. Dekolonialisierung des östlichen Europa für die Forschung bietet. Dies betrifft nicht nur die Aufweichung der bisher oft russlandzentrierten Perspektive und die verstärkte Hinwendung zu anderen Ländern des ehemaligen russländischen Reiches bzw. der Sowjetunion, sondern auch die Herausarbeitung der transnationalen Verflechtungen des östlichen Europa mit Westeuropa sowie im globalen Sinne.

"I think it is a good thing that you also invited Master students interested in pursuing a PhD in Eastern European History or the neighbouring fields. I can imagine that the interaction was inspirational, but also cautioning for them. I wish that I could have had a similar opportunity to get in touch with 'academia' during my study days."

Neben ganz praktischen Lösungsvorschlägen regten die Gespräche im Rahmen des Workshops dazu an, die eigene Position als Forscher:in zu reflektieren. Fragen nach der ethischen Verantwortung „westlicher“ Institutionen und Forschender und der aktiven Gefährdung von Interviewpartner:innen in Russland und Belarus durch die Kontaktaufnahme mit ihnen wurden besprochen, ebenso die Privilegien der meist weiß gelesenen Anwesenden mit deutschem Pass. Für sie ist etwa das Ausweichen in ein Nachbarland Russlands für Treffen mit Kontaktpersonen oder als Forschungsraum weitaus einfacher möglich als für jene mit ukrainischen oder armenischen Staatsbürger:innenschaften.

Der Workshop eröffnete einen wichtigen Raum zum Austausch. Eine vertiefende Fortsetzung zu vielen der thematisierten Punkte ist im Rahmen der Jungen DGO angedacht. Nachwuchswissenschaftler:innen sind von der schlechten Finanzierung, den unsicheren Anstellungsverhältnissen im Wissenschaftsbetrieb und ihren stark hierarchischen, teils sogar diskriminierenden Strukturen besonders betroffen. Gespräche über alltägliche Herausforderungen, über individuelle Forschungsprozesse, die jeweiligen Lehrerfahrungen und die geteilte Begeisterung für die Ostmittel- und Osteuropaforschung geben Kraft und bestärken in der Entscheidung, den Weg in der universitären Wissenschaft (vorerst) fortzusetzen.

"I benefited a lot from this event. It has encouraged me to prepare a project proposal on an alternative topic where I can avoid the problems posed by Russia's aggression."

 

Ein Bericht von Sven Jaros, Anne Kluger und Gundula Pohl (unter Einbeziehung anonymisierter Zitate aus dem Feedback zum Workshop)

Dyscypliny

Inna Socjologia Nauki o polityce Kulturoznawstwo Historia

Tematy

Przyszłość badań nad Europą Wschodnią Networking Wojna Rosji z Ukrainą Początkujący naukowcy Codzienne aspekty prowadzenia badań
Redaktion Pol-Int

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