Noch bis Ende Januar 2019 ist in der Bundeskunsthalle die große Ausstellung „Malerfürsten" zu sehen, die in Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum Krakau entstanden ist (S. 304). Das eigentlich sehr ausschweifende Thema wird hier auf sieben Künstler (Frederic Lord Leighton, Hans Makart, Jan Matejko, Mihály von Munkácsy, Franz von Lenbach, Friedrich August von Kaulbach und Franz von Stuck) reduziert und erlaubt so eine angenehme Fokussierung auf die unterschiedlichen Biografien, die neben den Gemälden auch durch persönliche Gegenstände und Fotos erzählt werden. Ferner bietet die Kooperation zwischen Bonn und Krakau den Besuchern nach mehr als 35 Jahren erneut einen umfassenderen Blick auf das Werk Jan Matejkos in Deutschland. Während das Interesse bei der Nürnberger Ausstellung von 1982, die später auch in Braunschweig und Konstanz gezeigt wurde, vor allem auf seinen Studien und Skizzen lag [1], werden in Bonn die Verdienste des Historienmalers und dessen Werk durch den direkten Vergleich mit anderen Malerfürsten aufgezeigt. Daher möchte ich mich bei dieser Rezension insbesondere auf die Ausstellungspräsentation wie -vermittlung von Jan Matejkos Wirken konzentrieren.
Die Ausstellungsmacher verstehen die Kunstschau als Teil der „Künstlersozialgeschichte" (S. 7), in der die Werke wie ihre Schöpfer untereinander und durch das Prisma „gesellschaftlicher Zusammenhänge" (ebd.) kontrastiert werden. Dieses Modell erlaubt die Bedeutung dieser Männer für ihre soziale Umgebung und darüber hinaus auch für die eigene Nation als „Erinnerungsort" aufzuzeigen [2]. Dies wird beispielsweise an Jan Matejkos Begräbnis in Krakau veranschaulicht. Der Katalog betont hierzu, dass der polnische Künstler im Jahre 1893 „mit wahrhaft königlichen Ehren zu Grabe getragen" (S. 269) wurde und die Beerdigungszeremonie staatlich organisiert war.
Den postumen Ehrerweisungen werden die unterschiedlichen Huldigungen zu Lebzeiten der sieben Künstlerfürsten gegenübergestellt, um so ihre außerordentliche gesellschaftliche Bedeutung zu veranschaulichen. Dies wird in der Ausstellung auch anhand der prachtvollen Wohnateliers aufgezeigt, so beispielsweise an der Villa Stuck in München, die als Gesamtkunstwerk zur Selbstdarstellung des Künstlers gedient hat. Neben Fotos der einzelnen „Prunkateliers" (S. 123) werden in der Ausstellung auch einige Originalstücke präsentiert, die einen Einblick in die prächtige Ausstattung der jeweiligen Häuser geben. Unter anderem werden auch Exponate aus Matejkos Atelier und Sammlung gezeigt, wobei hier ein ausgestelltes Kostüm bestehend aus einem roten Kaftan mit Hose gesondert zu erwähnen ist, da im direkten Vergleich mit den Gemälden „Porträt der Kinder Tadeusz, Helena und Beata" (1870) und „Jerzy Matejko zu Pferd" (1882) sowohl seine herausragende Könnerschaft als auch ein Einblick in das Privatleben des polnischen Nationalkünstler gewährt wird.
Diese besondere Art der Selbstinszenierung durch den Wiederschein der eigenen Familie ist ein weiterer wichtiger Faktor des Ausstellungskonzepts, um die gesellschaftliche Stellung der Malerfürsten zu untermauern. Hierzu erläutert Doris Lehmann im Katalog: „Außergewöhnliches Selbstbewusstsein demonstrierte auch Jan Matejko mit den Bildnissen seiner Kinder, die er in der Manier van Dycks wie Königskinder darstellte. Dass es sich hierbei nicht um private Porträts […] handelte, verrät der Umstand, dass auch diese Gemälde ausgestellt, in Kunstzeitschriften reproduziert und als Foto verkauft wurde." (S. 156)
Die Bedeutung der öffentlichen Zurschaustellung der Familien zwecks Demonstration der eigenen Stellung in der Gesellschaft wird ferner an der Porträtwand mit den Ehefrauen deutlich. Inmitten dieser Frauenbilder sticht das Porträt Teodora Matejkos in ihrem vom Künstler selbst entworfenen Hochzeitkleid in Anlehnung an einen Kontusz [3] deutlich heraus, welches Jan Matejkos repräsentativen Anspruch an seine Gemahlin als Adlige widerspiegelt.
Der Katalog befasst sich nur vereinzelt mit Teodora Matejko. Dabei wird der etwas verzerrte Eindruck erweckt, dass ihr „Handlungsraum kaum über ihre Rolle als Ehefrau eines überaus erfolgreichen Historienmalers und Mutter seiner Kinder hinaus[ging]" und „es sicher alles andere als einfach war, die Frau eines berühmten Malerfürsten zu sein" (S. 97). Ergänzend muss jedoch erwähnt werden, dass Teodora mit ihrer aufbrausenden Persönlichkeit, der ihr in der Familie den Beinamen „venezianischer Teufel" [4] einbrachte, in dieser Ehe eher der stark emotionale Gegenpol zum introvertierten Künstler war, der sich nach ihrer „fortschreitenden psychischen Erkrankung" (S. 63) nicht nur um sie, sondern auch um die gemeinsamen Kinder kümmern musste. Darüber hinaus galt sie als eifer- wie rachsüchtig, was eindrücklich an der Entstehungsgeschichte ihres Porträts in Hochzeitkleid von 1879 belegt werden kann. Das Bildnis ist eine Replik, die der Künstler anfertigen musste, nachdem seine Gemahlin die erste Version aus dem Jahre 1865 zerstört hatte. Anlass war ein Streit über ein Porträt ihrer Nichte Stanisława Serafińska, das Matejko heimlich gemalt hatte [5].
Ausführlichere Erläuterungen zu den Gemälden fehlen in der Ausstellung und komprimierte Beschreibungen müssen zumeist in den unterschiedlichen Katalogtexten herausgesucht werden. Die Kuratoren wie Autoren konzentrieren sich folglich auf einen Gesamtblick, was Vor- und Nachteile hat. Zwar wird der Betrachter nicht vom Wesentlichen abgelenkt, aber mir scheint, dass vor allem die hier weniger bekannten Werke Jan Matejkos und auch Mihály von Munkácsys für das deutschsprachige Publikum einer analytischen Auslegung bedürfen.
Hervorzuheben ist jedoch Marta Kłak-Ambrożkiewiczs biografischer Abriss Jan Matejko – ein anderer Malerfürst, in dem pointiert das Leben des polnischen Künstlers aufgezeigt wird: Familie, prägende Einflüsse, wichtigste Arbeiten, Auszeichnungen, Huldigung wie Kritik, Beisetzung und die Bedeutung des Künstler wie seiner Werke bis in heutige Zeit. Trotz der Verkürzung seiner Biografie auf gerade nur sieben Seiten (S. 61-69) erhält der deutschsprachige Leser einen recht umfangreichen Einblick. Dies wird ergänzt von Katharina Chrubasiks Ausführungen zu Jan Matejko als Ausstellungskünstler (S. 99-104), sowie einer zusätzlichen kurzen Künstlerbiografie (S. 112-113).
Dieser Katalog ist so vor allem für Leser ohne entsprechende Vorkenntnisse eine absolute Empfehlung und die Ausstellung für alle ein optischer Genuss. Für Kenner von Matejkos Werk stellt die Ausstellung eine wundervolle Möglichkeit dar, den Künstler in der Gegenüberstellung anderer Malerfürsten seiner Zeit aufs Neue zu entdecken, ähnlich dem Grundgedanken der Akademieausstellungen des 19. Jahrhunderts. Dabei wird in der Ausstellung deutlich, dass, trotz nationaler Prägungen, die Künstler Leighton (1830-1896), Lenbach (1836-1904), Matejko (1838-1893), Makart (1840-1884) und Munkácsy (1844-1900) in Anbetracht ihrer ähnlichen Formensprache und Farbästhetik das Echo eines bestimmten Zeitgeistes sind, der sich in ihren Werken widerspiegelt. Die jüngeren Kaulbach (1850-1920) und Stuck (1863-1928) weisen hingegen einen neuen künstlerischen Charakter auf. Besonders deutlich wird dies in Konfrontation ähnlicher Bildthemen, wobei der Vergleich einen sehr anregenden Dialog wie Kunstgenuss bietet. In Ergänzung wäre aber vor allem für den Sezessionisten Stuck ein ausländischer Kontrapart wünschenswert gewesen, wie beispielsweise Jacek Malczewski (1854-1929), Józef Mehoffer (1869-1946) oder Alfons Mucha (1860-1939), um den unterschiedlichen Anspruch an die Kunst verdeutlichen zu können.
Nichtsdestoweniger ist die Ausstellung „Malerfürsten" für Kunstliebhaber des 19. Jahrhunderts ausdrücklich zu empfehlen – und ich hoffe, dass sie den Auftakt für weitere historisierende Kunstschauen mit polnischer Beteiligung darstellt.
[1] Jan Matejko (1838-1893). Gemälde –Aquarelle –Zeichnungen, Nürnberg 1982, S. 3.
[2] Vgl. Katharina Mann: Polonia. Eine Nationalallegorie als Erinnerungsort, Köln 2013, S. 218.
[3] Der Kontusz ist ein traditioneller bodenlanger Mantel, der von polnischen Adeligen im 17. und 18. Jahrhundert getragen wurde. Vgl. Krystyna Sroczyńska (Hg.): Matejko. Obrazy olejne. Katalog, Warszawa 1993, S. 164.
[4] Magdalena Czapska-Michalik: Jan Matejko, Warszawa 2006, S. 21.
[5] Vgl. Sroczyńska, S. 164.