Das Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien (ZIP) an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder beteiligte sich 2014 erneut an der Jahrestagung der Association for Slavic, East European, and Eurasian Studies ASSEES. Die 46th Convention unter dem diesjährigen Titel 25 Years After the Fall of the Berlin Wall: Historical Legacies and New Beginnings fand vom 20. bis zum 23. November 2014 in San Antonio (USA) statt. Das Team des ZIP nahm aktiv an mehreren Panels, einer Roundtable-Diskussion sowie einem Treffen der Polish Studies Association teil.
Am ersten Tag der Konferenz fand das Panel Politics of Scale: Economic Federations in Interwar Eastern and South Eastern Europe statt, das ökonomische Theorien und Bündnisse im Spiel der Nationalismen der Zwischenkriegszeit zum Thema hatte. Dagmara Jajeśniak-Quast (Europa-Universität Viadrina, ZIP) zeigte in ihrem Beitrag in Anlehnung an die Theorie von Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894–1972) und seiner Rezeption im Polen der Zwischenkriegszeit, wie ökonomische Theoretiker zu den Vorreitern der Idee der europäischen (Wirtschafts-) Integration wurden (und das in der Zeit wachsender Nationalismen). Máté Rigó (Cornell University Ithaca) sprach in seinem Beitrag über die ökonomische Rivalität zwischen Frankreich und Deutschland nach 1918 auf die durch den Zerfall der Habsburger-Monarchie (neu) entstandenen ostmittel- und südosteuropäischen Staaten wie Rumänien, Serbien und Bulgarien. Moderiert wurde das Panel von Anca Maria Mandru (University of Illinois at Urbana-Champaign), Kommentatorin war Małgorzata Mazurek (Professorin für Polish Studies an der Columbia University, New York).
Am selben Tag fand die Roundtable-Diskussion From Stalinism to Pepsi Cola: Teaching the Cultural History of State Socialism statt, an der das ZIP durch Mark Keck-Szajbel vertreten war. Andere Teilnehmer_Innen dieser Diskussionsrunde waren: Małgorzata Fidelis (University of Illinois in Chicago), Jill Marie Massino (University of North Carolina in Charlotte), Nadège Ragaru (Sciences-Po Paris) und Cristofer Scarboro (King's College London). Die Moderation hatte Patryk Wasiak (Uniwersytet Wrocławski). Die Teilnehmer_Innen der Diskussion sprachen über die Bedeutung materieller Kultur während der Zeit des Realsozialismus. Sie diskutierten die Frage, welche Wirkungsmöglichkeiten (agency) möglich waren und welche Rolle dabei (pop-) kulturelle Objekte wie Pepsi-Cola oder Filterzigaretten spielten.
Ein ähnliches Thema behandelte das Panel Consumption in Transition: Material Cultures 1980-2000, welches am Freitag stattfand. Auch hier sprach der akademische Mitarbeiter des ZIP Mark Keck-Szajbel in seinem Beitrag Sex, Lies and Videotape: Dropping Out with VHS in East Central Europe über die Bedeutung der Materiellen Kultur, hier am Beispiel der Popularität von Videokassetten in den 1980er Jahren in den mittel- und osteuropäischen Ländern und deren politische Auswirkungen. Es sei nicht nur ein Problem der kommunistischen Machthaber gewesen, die der Ausbreitung der westlichen Videokassetten nur schwer entgegenwirken konnten, sondern auch ein wirtschaftliches Problem westeuropäischer Länder, aufgrund der wachsenden Piraterie insbesondere für die Unterhaltungsindustrie. Auch die anderen Panelbeiträge beschäftigten sich mit der Bedeutung westlicher Importprodukte, z.B. elektronischer Geräte in der Volksrepublik Polen wie im Beitrag von Patryk Wasiak (Uniwersytet Wrocławski) oder mit der Rolle des shuttle trade's in der Sowjetunion und in der Russischen Föderation der frühen 1990er Jahren oder mit dem Einfluss von Einzelhändlern auf die Versorgungssituation der postsozialistischen Gesellschaft mit westlichen Konsumgütern wie im Beitrag von Irina Mukhina (Assumption College Worcester). Moderiert wurde das Panel von Michael Whitaker Dean (UC Berkeley), Kommentator war Patrick H. Patterson (UC San Diego).
Am Freitagabend fand ein Event Meeting der Polish Studies Association statt, an dem zahlreiche internationale, schwerpunktmäßig zum Thema Polen forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler teilnahmen. Dort konnte Katharina Kinga Kowalski vom ZIP einem breiten Publikum die Online-Platform Polenstudien.Interdisziplinär vorstellen und dabei neue Kooperationsmöglichkeiten gewinnen. Das Interesse an der Plattform zeigt, wie diese sich mehr und mehr zu einer exzellenten wissenschaftlichen Austausch- und Vernetzungsmöglichkeit, aber auch zu einer Plattform entwickelt, die Forschungsergebnisse einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorstellen kann.
Am Sonntag fand das von Katharina Kinga Kowalski organisierte Panel Challenges of the Women's Movement in Poland after the Revolution: Between Traditional Structures and New Philosophies statt. Sie stellte dort in ihrem Beitrag die Entwicklung der akademischen feministischen Frauennetzwerke in der Volksrepublik Polen seit den 1970er Jahren und ihre Rolle für die Entstehung der Zweiten Welle der Frauenbewegung in Polen nach 1989 dar. Magdalena Maria Grabowska (Polnische Akademie der Wissenschaften, Warszawa) präsentierte die Ziele des polnischen Feminismus nach 1989, insbesondere zeigte sie unter der Bezugnahme auf die postcolonial studies, welchen Einfluss der Westen auf die polnische Frauenbewegung und seine Identität hatte. Joanna Staśkiewicz (Doktorandin der Graduiertenschule am ZIP) sprach in ihrem Beitrag über die gegenwärtigen katholischen Frauenorganisationen in Polen und analysierte, warum in Polen bisher keine katholische Frauenbewegung entstanden ist. Die Moderation hatte Dagmara Jajeśniak-Quast (ZIP), die Kommentatorin war Joanna Regulska (Rutgers University New Jersey).
Die 47th Convention der Association for Slavic, East European, and Eurasian Studies findet 2015 in Philadelphia statt.