Das diesjährige 17. Deutsch-Polnische Forum, zu dem hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft beider Länder in die Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund eingeladen waren, fand am 19. und 20. November 2014 in Berlin statt. Als Grundlage des Deutsch-Polnischen Forums gilt der deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991, welcher mit Artikel 29 (3) dem Forum die Aufgabe gibt, „Konzeptionen für die Weiterentwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen zu entwerfen und entsprechende Initiativen zu ergreifen". Ausrichter waren neben dem Gastgeber Dr. Dietmar Woidke, Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt und Ministerpräsident des Landes Brandenburg, auch Staatssekretär Professor Władysław Bartoszewski, Beauftragter für den internationalen Dialog in der Staatskanzlei der Republik Polen und die Außenminister beider Länder. Die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit fungierte erstmals als Organisator des Forums, welches sich diesmal den thematischen Schwerpunkt der Zukunft der europäischen Ostpolitik widmete.
Eröffnet wurde das Forum mit einer Begrüßung der Gastgeber. Die Redner betonten rückblickend die schwierige Geschichte des deutsch-polnischen Verhältnisses und die somit umso bemerkenswertere Freundschaft, welche auf dem Nährboden der Versöhnung entstanden sei. Besonders Herr Prof. Bartoszewski betonte die erstaunliche Entwicklung zwischen Polen und Deutschen, von Feindschaft über Nachbarschaft bis hin zu wahrer Freundschaft. Freundschaft stand auch in den Reden der Außenminister im Mittelpunkt. Frank-Walter Steinmeier und sein polnischer Amtskollege Grzegorz Schetyna sprachen gemeinsame Themen und Probleme der Politik beider Länder an. Im Fokus stand hier die Wahrung gemeinsamer Werte wie Freiheit, Demokratie und Solidarität, vor allem im Hinblick auf die Ukraine-Krise. Sowohl Steinmeier, als auch Schetyna setzten sich für eine intensive Kooperation in Sachen gemeinsamer Ost- und Sicherheitspolitik ein. Hier wurde auch der Begriff der „Verantwortungsgemeinschaft" aus Schetynas Rede vor dem Bundestag zur Gedenkfeier „75. Jahre Beginn Zweiter Weltkrieg" wieder neu aufgegriffen und neben der Freundschaft als Basis der politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit genannt.
Jedoch wurden auch die politischen Differenzen verdeutlicht. Sowohl die teilweise unterschiedlichen Sichtweisen, mit denen man Russland betrachtet, als auch Meinungsverschiedenheiten im Sektor der Energie- und Klimapolitik wurden angesprochen. Die Diskrepanzen wurden besonders von der polnischen Seite betont und die polnischen Interessen klar und deutlich dargestellt: Striktere Handhabung des Konfliktes in der Ukraine und eine gemeinsame, europäische Energie- bzw. Gaspolitik.
Im Anschluss verliehen die beiden Außenminister den Deutsch-Polnischen Preis an die Internationale Jugendbegegnungsstätte Auschwitz (IJBS) und das Bildungs- und Begegnungszentrum Schloss Trebnitz. Beide Begegnungsstätten trügen in ihrem Rahmen bzw. auf ihre Art und Weise zur Förderung der deutsch-polnischen Verständigung auf verschiedenen Ebenen bei. Die Jugendbegegnungsstätte Auschwitz zeige, wie man gemeinsame Geschichte nicht nur vorbildlich aufarbeitet und pflegt, sondern auch weiterentwickelt. Sie bietet Jugendlichen eine einzigartige Möglichkeit sich persönlich zu entwickeln, über Vorurteile hinauszuwachsen und nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch wahre Freundschaften zu gewinnen. Das Schloss Trebnitz sei ein Musterbeispiel für deutsch-polnische Begegnungen im grenznahen Raum. Projekte wie das deutsch-polnische Schülercafé, die „Oderläufe" oder der Oderjugendrat schweißen durch ihre Nachhaltigkeit Deutsche und Polen enger zusammen und bilden genau wie die Arbeit der IJBS die zivilgesellschaftliche Grundlage deutsch-polnischer Freundschaft.
Dass diese Freundschaft in Zeiten der Ukraine-Krise mehr denn je gefordert sein würde, wurde auch bei der Podiumsdiskussion unter dem Titel „Die Zukunft der europäischen Ostpolitik" deutlich. Die Panelisten, jeweils zwei Vertretern der Medien und zwei Vertretern der Politik, versuchten in einer lebhaften und intensiven Diskussion gemeinsame Ansätze und Lösungen der Ukraine-Krise zu finden. Zu den Teilnehmern zählten von deutscher Seite: Sabine Adler (Deutschlandfunk) und Andreas Schockenhoff (MdB, CDU), Maria Przełomiec (TVP) und Robert Tyszkiewicz (PO) repräsentierten die polnische Sichtweise. Cornelius Ochmann (Geschäftsführer der SdpZ) moderierte die Diskussion. Ergänzt wurde die Runde durch Fragen und Kommentare aus dem Publikum. Hier waren u.a. Abgeordnete des Bundestages und Sejm, aber auch zahlreiche Journalisten aktiv.
Die Diskussion konzentrierte sich hauptsächlich auf zwei Punkte: Erstens die Politik gegenüber Russland und zweitens eine gezielte, deutsch-polnische Unterstützung der Ukraine. Die Position, die Ukraine im demokratischen und wirtschaftlichen Sinne zu stärken und zu festigen wurde einstimmig begrüßt. Es kam sogar der Begriff eines „Großen Marshall Plans für die Ukraine" auf. Deutlich unterschiedlich war jedoch die Wahrnehmung Russland.
Bekanntlich ist das polnische Bewusstsein einer Bedrohung aufgrund historischer und geographischer Nähe zu Russland viel höher, als das deutsche. Zumal auch bessere wirtschaftliche Verbindungen und eine erstaunlich große „Putin-Freundlichkeit" der deutschen Gesellschaft zu einer „milderen Perspektive" beitragen. Im Plenum des Forums spiegelte sich dies aber nicht wieder. Hier wurde auf die verschärften Sanktionen und die entschlossene Haltung der Kanzlerin verwiesen. Die deutschen Teilnehmer der Diskussion fanden zudem leicht Gefallen an dem trittsicheren und teilweise vehementen Auftreten der Polen gegenüber Russland. So wurden nicht nur offensichtliche gemeinsame Lösungsansätze, wie „Entspannung als Ziel und Dialog als Schlüssel", sondern auch Äußerungen wie „Russland, der gegenwärtige Feind" mit einhelligem Applaus begleitet.
Erforderlich sei nicht nur eine richtige und mehr im europäischen Rahmen stattfindende Realpolitik gegenüber Russland, sondern auch eine kooperative und gezielte Unterstützung der Ukraine. Hier wurden besonders die wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Maßnahmen angesprochen. Einig war sich das Plenum, dass finanzielle Hilfe alleine keine Lösung darstellen könne und diese auch strikt reguliert bzw. konditionalisiert werden sollte. Zuerst müsse eine Strategie entwickelt werden, die einen funktionierenden Rechtsstaat zu schaffen helfe und parallel die Stärkung der Zivilgesellschaft fördere. Hierbei sollten auch maßgeblich die deutschen und polnischen Erfahrungen mit Demokratisierungs- und Transformationsprozessen zum Tragen kommen. Gefordert wurde auch eine engere deutsch-polnische Zusammenarbeit in der politischen Beratung auf nationaler, aber auch auf regionalen Ebene.
Fernerhin wurde explizit auf die Mängel bei der Unterstützung der östlichen Zivilgesellschaften hingewiesen und auch dort auf die Notwendigkeit eines gemeinsamen deutsch-polnischen Konzeptes aufmerksam gemacht. Für die sich im Aufbau befindende, polnisch-ukrainische Zusammenarbeit wurden die als vorbildlich geltenden bilateralen Verhältnisse zwischen Frankreich und Deutschland, aber auch Deutschland und Polen als nachahmenswert hervorgehoben.
Ein weiteres Thema der Podiumsdiskussion war eine Neuinterpretation der Ostpolitik und die Notwendigkeit einer neuen Definition des „Ostens". Hierbei standen u.a. Länder wie Moldau, Georgien, aber auch Serbien im Mittelpunkt. Wichtig sei es auch dort auf die Mittelschicht als stabile Grundlage der Zukunft zu setzen. Durch Bildung und zivilgesellschaftliche Kooperationen solle man nicht nur eine Basis schaffen, sondern auch Eliten mitentwickeln und den oft vorhandenen, bürgerlichen Willen zur „Verwestlichung" fördern und stärken.
Zusammenfassend wurde festgestellt, dass Sicherheit nur zusammen mit Russland erreicht werde könne, eine Appeasement-Politik aber definitiv keine Option sei und es auf ein starkes und möglichst einstimmiges Auftreten der EU ankomme. Hier spielten Deutschland und Polen eine tragende Rolle, denn zusammen könnten sie effektiv mehr EU-Staaten motivieren, sich aktiv in der Ukraine einzusetzen. Auch das Weimarer Dreieck wurde als nützliche Plattform angesehen und sollte wie schon im Februar 2014 in Sachen Ostpolitik gemeinsam auftreten und agieren. Auf dem „Merkzettel" sollten die Prioritäten in „richtiger Reihenfolge" stehen und zwar: Freiheit, Frieden, Rechtssicherheit und dann die Wirtschaft. Ziel der Ostpolitik solle neben der Friedenssicherung vor allem das Stärken der Transatlantischen Wertepartnerschaft sein. Nach dem Abschluss der Podiumsdiskussion folgte eine Ansprache des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg Dr. Woidke, der nochmals die Preisträger des Deutsch-Polnischen Preises ehrte und auch regionale Akzente setzte bzw. die Partnerschaften im grenznahen Raum hervorhob.
Der zweite Tagungstag stand komplett im Licht der vier thematischen Arbeitsgruppen. In diesen Gruppen wurden Ideen, Anregungen und Konzeptionen entwickelt und diskutiert. Im Fokus stand die Frage der Zukunft der europäischen Ostpolitik, jedoch in Hinsicht auf unterschiedliche Fachgebiete. So befasste sich die erste Gruppe mit der Grenzüberschreitenden Kooperation. Impulsgeber waren hier wesentlich Vertreter aus Politik und Kultur, welche die bisherige Arbeit im grenznahen Gebiet und die vorhandenen Probleme und Herausforderungen behandelten.
Der Demographische Wandel in Deutschland und Polen wurde in der zweiten Arbeitsgruppe von Professoren der Universität Wrocław, dem Westinstitut Poznań und der TU Chemnitz unter der Moderation des Journalisten Rafał Woś erörtert. Diese Gruppe setzte sich auf wissenschaftlicher Grundlage und hier maßgeblich anhand von demographischen Daten und Erhebungen, mit den wirtschaftlichen und hauptsächlich sozialpolitischen Aussichten in beiden Ländern auseinander.
„Wirtschaft als Motor der deutsch-polnischen Beziehungen?" – diese Frage stellte der Moderator des dritten Panels, Michael Kern seinen Impulsgebern. Diese Wirtschaftsvertreter aus vier verschiedenen Unternehmen (Boryszew SA, Solaris Deutschland, TEX CONSULT GmbH und Siemens Sp. z o.o.) versuchten die Bedeutung der Wirtschaft im kleineren, wie auch größerem Sinne zu erläutern.
Die letzte Gruppe war dem Nachwuchs gewidmet. Das sogenannte „Junge Forum" befasste sich mit der Verbindung von Geschichte und Zukunft. Es wurde über die Bedeutung der Geschichte, als Grundlage der deutsch-polnischen Beziehungen und über die gegenwärtige Situation dieser Relation diskutiert. Moderator Ingo Schuster ging gemeinsam mit den TeilnehmerInnen auf alte oder neue Probleme aber auch Chancen der deutsch-polnischen Verbundenheit ein. So wurden Themen der polnischen Sprach- und Kulturförderung in Deutschland sowie auch kooperative Themen wie Bildung, Sport oder Frauenrechte angesprochen.
Die Kurzberichte der einzelnen Arbeitsgruppen wurden im Plenum vorgestellt und kurz diskutiert. Die überwiegend fruchtbaren Resultate ermutigten die Teilnehmer und bestätigten die Annahme, dass man Freundschaft weiterhin pflegen und weiterentwickeln sollte. Denn in der gemeinsamen Gestaltung der deutsch-polnischen Zukunft wartet noch mehr als genug Arbeit, besonders im Hinblick auf die neue, gemeinsame Verantwortung in Sachen „Ostpolitik".