Książka ukazuje kondycję współczesnej humanistyki i jest krytycznym studium postmodernizmu. Prezentuje projekt przemyślenia idei mocnego podmiotu i wspólnoty oraz neutralizacji traumatofilii (ze strony wydawnictwa, http://ksiegarnia.pwn.pl/produkt/162825/historia-egzystencjalna.html)
Ewa Domańska (2012)
Historia egzystencjalna. Krytyczne studium narratywizmu i humanistyki zaangażowanej
- Beitrag vom: 04.08.2014
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Empfohlen von PD Dr. Markus Krzoska
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Einladung zur Reflexion
Rezensiert von Dr. Justyna Aniceta Turkowska
- Beitrag vom: 04.08.2014
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Rezension von
Dr. Justyna Aniceta Turkowska
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Redaktionell betreut von
PD Dr. Markus Krzoska
- DOI: 10.11584/opus4-853
Die Studie “Historia egzystencjalna“ von Ewa Domańska kann als eine Einladung zu vertiefter Reflexion betrachtet werden, über den Zustand der heutigen (vorwiegend englischsprachigen und polnischen) Geschichtsschreibung und der Geschichte als einer akademischen Disziplin nachzudenken, sowie ihre Fähigkeit, die heutige und vergangene Welt zu erklären, zu verstehen und überhaupt zu lesen, zu hinterfragen und ihr neue Perspektiven zu eröffnen. Diese Überlegung erfolgt entlang einer kritischen Skizzierung postmoderner theoretischer Ansätze, entlang der Auseinandersetzung vor allem mit dem Narrativismus und der French Theory und mündet in der Besprechung der polnischsprachigen Geschichtstheorie und ihrer theoretischen Verfangenheit und/oder Fremdheit. Im polnischen Kontext werden – so Domańska – theoretische Debatten unter Anthropologen, Soziologen, Kultur- und Literaturwissenschaftlern und Philosophen, aber kaum unter Historikern ausgetragen. Die vorliegende Studie möchte nun diese Debatten stimulieren und somit die polnische, „existenzielle Geschichte“ fördern, und zwar aus einer posthumanen/post-narrativistischen Perspektive. Unter „existenzieller Geschichte“ ist dabei eine historisierende, engagierte Reflexion über die menschliche conditio zu verstehen. Diese soll unter Berücksichtigung von analytischen, methodologischen und historiographischen Zugängen eines durch den linguistic/visual/posthuman turn geprägten Historikers erfolgen. Sie soll uns ferner zum Nachdenken über unsere moralischen und situativen Reaktionen zwingen und uns dabei helfen, diese Reaktionen abzuwägen und mit ihnen umzugehen. Die Analyse oszilliert dabei zwischen einer Darstellung der englischsprachigen Theorien und deren Weiterführung/Ergänzung und ihrer Adaptation/Ablehnung/Nicht-Beachtung im polnischen Kontext. In jedem Kapitel werden weiterführende Perspektiven eröffnet sowie eine Kontextualisierung für Polen vorgenommen, so dass die theoretischen Ausführungen jeweils eine Art Zwischenfazit bzw. einen Ausblick finden.
Die einzelnen, im Buch besprochenen bzw. erwähnten Theorien und Ansätze (unter anderem von Hayden White, Jerzy Topolski, Michel Foucault), werden hier nicht wiedergegeben. Deren Nacherzählung im Buch dient ihrer Vorstellung, aber vielmehr noch ist sie als theoretisches „In-Dialog-Treten“ unterschiedlicher Weltbetrachtungsweisen gedacht, die uns Grenzen und Möglichkeiten beispielsweise der „alten“, gut bekannten Debatte über Re- und Konstruktion von historischen Tatsachen oder aber über die Überindividualisierung des Akteurs aufzeigen soll. Es geht um die Überquerung dieser Debatten, die allerdings erst in den letzten Kapiteln ausführlicher vorgeschlagen bzw. angedeutet wird.
Obwohl die einzelnen Kapitel thematisch miteinander verknüpft sind, stellen sie dennoch separate Einheiten dar, die nicht immer unbedingt aufeinander aufbauen. Zum Teil liegt dies daran, dass die ersten Kapitel die erst später folgende Perspektivierung vorbereiten, zum Teil daran, dass viele der thematischen Schwerpunkte des Buches bereits in anderer Form – als Aufsätze oder in Interviews – publiziert wurden. Allerdings können sie erst als Ganzes als eine kritische Auseinandersetzung mit den postmodernistischen Theorien und der Pointierung ihrer Verstrickung in eigene Sackgassen fungieren.
Die ersten beiden Kapitel dienen der Annäherung an die Konzepte von Hayden White und Frank Ankersmit und somit als Einladung zu Überlegungen über die figurative Aufstellung der historischen/praktischen Vergangenheit, wie auch über Trauma und Bedeutung der historischen Erfahrung für die ästhetische Kontemplation der Welt.
Mit dem Aufgreifen der Frage, „wie das ist, was war?“ (S. 78) führt uns das darauffolgende Kapitel in die Überlegungen über historische Tatsachen ein. Nach ihrer kurzen Historisierung – wie „Tatsachen“, „Beweise“, „historische Spuren“ etc. vom 18. Jahrhundert an gedacht wurden – folgt eine Gegenüberstellung, unter anderem der Konzeptionen Hayden Whites (Erfindung der Fakten) und Jerzy Topolskis (Konstruktion der Fakten), die im Weiteren um das Verständnis der „existentiellen“ und „ontologischen“ Fakten von Jan Pomorski ergänzt wird. Die Darstellung mündet in einer Konfrontation des „typischen“ polnischen Historikers und seines – so könnte man fast sagen – (un-)reflektierten alltäglichen terminologischen und somit auch wenig reflexiven Verständnisses von der eigenen Disziplin.
Die Autorin sandte nämlich im Jahre 2010 eine E-Mail an ausgewählte polnische Historiker mit der Bitte, praxisgeleitet ihr Verständnis von „historischen Tatsachen“ zu formulieren (S. 94, Fußnote 46). Deren Antworten waren allerdings, so die Autorin, ernüchternd und zeigten auf, dass die befragten Personen entweder keine Definitionen formulieren oder nicht ausreichend abstrahierend theoretisch denken konnten (S. 94). In der Erklärung ihrer Bitte erwähnte die Autorin, dass sie davon ausgeht, dass dieses Verständnis eben nicht so naiv sei, wie dies von Seiten der Methodiker und Theoretiker behauptet wird. Diese Aussage ist zum einen stark wertend und bereits für die erwünschten Antworten leitend. Zum anderen ist sie aber so formuliert, dass sie sich an Fachleute richtet, denen im gleichen Moment kommuniziert wird, dass sie sich gerade zu beweisen haben, was für die Resonanz der Umfrage höchst problematisch war. Auch die drei zitierten Antworten lassen noch keine Generalisierung zu, umso weniger die Schlussfolgerung, dass Historiker weniger in einer theoretischen Analyse geübt seien. Einer solchen Auffassung folgend, versucht die Autorin aber gleichzeitig, eine solche vereinfachende Abbildung eines Historikers als eines Positivisten zu dekomponieren (Kap. IV: Topos tradycyjnego historyka) und aufzuzeigen, dass auch die sogenannten „traditionellen Historiker“, wie beispielsweise Maciej Serwański, abstrahierend arbeiten und durchaus auch aus den aktuellen wissenstheoretischen Debatten schöpfen.
Wie immer man auch die Verfasstheit des heutigen Historikers betrachtet, ist es immer wichtig, ihn stets aufs Neue dahingehend zu sensibilisieren, über sich, über die eigenen Vorprägungen, politisch-methodologisch-/moralischen Wahlentscheidungen etc. nachzudenken, diese als Teil seines Werkes anzusehen und hinter die eigenen theoretischen/theoriefernen Ansätze zu blicken. „Die Theorie ohne Praxis ist leer, die Praxis ohne Theorie blind“ (S.117), wie Domańska Kant zitiert und damit (in-)direkt die ständige Verschmelzung, Instrumentalisierung des untersuchten Wissens, seine Bedingungen und Rahmungen wie auch die Situiertheit sowohl des Wissens, des Wissenden, als auch der durch die beiden geschaffenen Verflechtungen betont. Wie sie im 5. Kapitel zur „Epistemologie ohne Unschuld“ dargelegt, wurden die theoretischen Debatten zu Projektionsflächen für politische Auseinandersetzungen, die aber ihre Kontextualisierung zu verlieren und ihre zu befreienden „Opfer“ nur weiterhin zu viktimisieren drohten. Dies geschieht, indem sie die zu befreienden „Marginalisierten“ nicht über die Macht-Wissen-Verhältnisse hinaus betrachten können und sie somit nur weiterhin in ihrem „schwachen“ Subjekt-Status verstärken. Indem sie genau das kritisiert, spricht sich Domańska hier für eine neu-essentialistische Perspektive aus, die von einem starken, sich selbst bewussten und aktiven Subjekt ausgeht; von einem Subjekt, das die Welt mit verändert und mehr als nur eines der vielen verstreuten Foucault'schen Subjekte ist, die in den Machtverhältnissen ohne jeglichen Ausweg gefangen sind.
Im Kapitel „Forget Foucault!“ erläutert Domańska anhand der French Theory und ihrer Rezeption in Polen – zum einen die sichtbaren Unstimmigkeiten dieser Theorie, indem sie aufzeigt, wie eine „performative, handelnde Humanistik“ (S. 151) statt des agierenden starken Subjektes den Text und die symbolische Ordnung der Sprache anvisiert und in diesem eigenen Widerspruch verfangen bleibt. Zum anderen thematisiert sie, inwiefern dieser gesellschaftlich engagierte und kritische theoretische Ansatz zur Radikalisierung polnischer intellektueller Debatten oder aber eher zu ihrer Neutralisierung führte. Sie bemängelt dabei das Fehlen einer revolutionären Energie bei den polnischen Intellektuellen und ihre aus den „Erfahrungen des Marxismus“ mitgebrachte Angst vor direktiven, welterklärenden Ansätzen, die dazu führte, die French Theory zwar zu adaptieren, aber kaum über ihre Rahmen hinauszugehen oder eigene Ideen hinzuzufügen. Ein guter Ansatz also, jedoch mit mindestens zwei „aber“:
1.) „Forget Foucault!“ – ob man damit einverstanden ist oder nicht, so ist richtig, dass Foucault schon längst zu einem Klassiker geworden ist und man mit Foucault, aber vor allem über Foucault hinaus denken sollte. Die Kritik von Foucault, die Domańska präsentiert – unter anderem seine Verfangenheit in den Machtstrukturen, die alles definieren und kein Außerhalb zulassen oder sein Wissen-Macht-Dispositiv-Denken, auf das die Autorin die Foucault'sche Theorie für die Zwecke der Studie zu reduzieren scheint –, müsste allerdings, um für die „polnische“ Theoriebildung fruchtbar werden zu können, weitergeführt werden und beispielsweise aufzeigen können, wie man aus den machtbedingt vorgegebenen Rahmen ausbrechen und aus einer Position von Außerhalb agieren kann. Denn das geforderte Hinterfragen seiner Theorie im Sinne von „nein, es ist nicht (immer) so“ erscheint in seiner Aufruf-Funktion eher als Echo der längst ausgetragenen theoretischen Kämpfe und, durch seine Offensichtlichkeit, weniger als ein einen neuen Wind bringender Inputgeber, nach dem die Autorin sucht.
2.) Eine Weiterentwicklung der Theorien der French Theory, ihre (lokale) Modifizierung, die Ergänzung um weitere regionale Komponenten oder aber eine komplette Ablehnung zugunsten anderer Erklärungsmodelle sollte vorgenommen und angestrebt werden. Dies sollte allerdings im Rahmen einer Suche nach theoretischen praxisbezogenen/praxisleitenden Erklärungsansätzen stattfinden, die zwar die lokalen Spezifika berücksichtigen, aber dennoch in großen Zusammenhängen und über lokale Grenzziehungen hinweg gedacht werden. Vor dem Hintergrund übernationaler Debatten, übernationaler und überkontinentaler Wissenszirkulation, in post-nationalen Zeiten, erscheint jedoch der nationale Zugang zur Geschichtsschreibung, der bei Domańska immer wieder in Form der Aufforderung an polnische Intellektuelle, eigenständige Theorien aufzustellen und zu den internationalen Theoriedebatten etwas Polnisches beizutragen, hörbar wird, befremdlich und in Anbetracht ihrer eigenen wissenschaftlichen Aktivitäten überraschend. Es ist legitim, die Debatten zu betrachten, die eine Theorie in einem bestimmten Milieu hervorbringt und dieses Milieu dazu aufzufordern, diese Theorie kritisch zu hinterfragen, sie weiterzudenken, ihr eine neue entgegenzustellen. Aber macht es Sinn, von einer gedanklichen und mentalen „Autokolonisation“ zu sprechen, und die theoretischen Debatten stets an nationale Komponenten anzubinden? Macht es Sinn, in nationalen Kategorien zu operieren und diese gegeneinanderzustellen, indem man plädiert, dass „wir [polnische Wissensgeschichte] nicht mehr nur Entlehnungen und Adaptionen fremder Ansätze und Theorien, sondern eigenes Schaffen auf diesem Gebiet brauchen“ („potrzebne nam są (…) nie tyle zapożyczenia i adaptacja obcych podejść i teorii, ile własna twórczość w tym zakresie“ S. 157)? Der Appell an die polnischen Intellektuellen, durch Entwerfen eigener Theorien die Deperipherisierung der polnischen Wissensgeschichte aufzubrechen, scheint mir eher ein Ausdruck eigener Peripherisierung und eigener Begrenztheiten innerhalb der theoretischen Debatte zu sein, die eigentlich keine solchen Grenzen kennen und umso mehr keine solchen Grenzen aufstellen sollte. Fast scheint es so, als ob sich Domańska, um ihre Kritik an Foucault aufzugreifen, gegen das Foucault'sche Verfangen-Sein in der Omnipräsenz der Machstrukturen und seine Unfähigkeit außerhalb der vorgegebenen Rahmen zu denken, wehrt, und gleichzeitig in denselben Denkstrukturen verfangen bleibt.
Um es nicht bei einem praxisfernen Plädoyer zu belassen, formuliert Domańska auch konkrete Vorschläge (Kap. VII), wie die Historiker darauf trainiert werden sollten, sich zum einen ihrer schöpferischen Rolle bewusst zu werden, zum anderen sich die „fremden“ Theorien nicht nur anzueignen, sondern solche selbst zu generieren. Um dies zu erreichen, muss sich die Geschichtsschreibung zum einen für neue Ansätze und Ideen öffnen, und diese zwar weiterhin mit Skepsis hinterfragen, ohne sie allerdings sogleich abzulehnen. Zum anderen muss sie stärker ihren empirischen, quellenfundierten Zugang, sowie die damit verbundenen Methoden, u.a. der Quellenkritik pflegen. Somit spricht sich die Autorin für eine Theorie „von unten“ aus, die durch Beobachtung, Quellenrecherche und kleinere komparativistische Analysen (Ereignisanalysen, lokale Analysen) neue Befunde und Perspektiven generiert, generalisiert und erst so als Theorie aufgestellt werden sollte. Ihr geht es dabei um eine präskriptive, und keine normative Methodologie sowie um eine „konkrete“ „grounded theory“ (S. 172), die die „Errungenschaften“ der Postmoderne beibehält (u.a. engagierte Geschichtsschreibung, kulturelle Prägung des Wissens, ethnische Verantwortung des Historikers, seine Sensibilisierung auf kommunikative Ränder), aber über diese hinausgeht und dem Subjekt seine agency zurückgibt. Hinter diesen Vorschlägen ist ferner auch der Wunsch nach einer Reprofessionalisierung und Souveränitätsbewahrung von Seiten der Historiker versteckt.
Das Buch von Ewa Domańska ist somit als eine zur (Selbst-)Reflexion einladende Studie hervorragend geeignet. Bei der Lektüre habe ich mich allerdings hin und wieder gefragt, an wen dieses Buch eigentlich adressiert ist: An Historiker selbst, oder eher an die Adepten der Geschichtsschreibung und alle interessierten Kreise? Für die einen (Historiker mit einer bestimmten theoretischen Affinität und Kenntnis) bietet die Studie oftmals altbekannte Erläuterungen, die nicht durch eine ausgewogene tiefergehende und kritische Analyse vertieft werden. Für andere, (Historiker/Studenten ohne ausgeprägte Theoriekenntnis), laufen die beschreibenden Einführungen in die einzelnen Theorien Gefahr, nicht ausreichend zu sein.
Trotz all dieser Einwände eignet sich das Buch dennoch als ergänzende Begleitung für Einführungsveranstaltungen, denn es bietet einen guten, wenn auch manchmal zu knappen und wenig differenzierten Überblick über die Mäander des Narrativismus und die von ihm ausgehenden Impulse für die Welt- und Geschichtsbetrachtung. Zudem ist es gut lesbar geschrieben und animiert zum Nach- und Überdenken der polnischen Tradition der Geschichtsschreibung sowie der eigenen moralischen und epistemologischen Positionierung und Selbstwahrnehmung.