Verlag | Wydawnictwo Agade Bis |
Erscheinungsort | Warszawa |
Sprache | Polnisch |
ISBN: 9788387111625
- Ethnologie, Kulturwissenschaften, Linguistik
- Polski
Jak mówić do Pana Boga? Wielojęzyczność katolików na Białorusi na przełomie XX i XXI wieku
Verlag | Wydawnictwo Agade Bis |
Erscheinungsort | Warszawa |
Sprache | Polnisch |
ISBN: 9788387111625
Jak mówić do Pana Boga? Wielojęzyczność katolików na Białorusi na przełomie XX i XXI wieku
Die im Folgenden besprochene Monographie nimmt das nationale Selbstverständnis, die Sprachenverwendung und die sprachbezogenen Einstellungen römischer Katholiken in Belarus in den Blick. Das Buch gliedert sich in zwei Teile: Der erste enthält eine synthetische Darstellung der Forschungsergebnisse, der zweite Transkripte von Gesprächen mit rund 40 Gewährspersonen aus den Diözesen Hrodna, Minsk-Mahilëŭ und Vicebsk (die südliche Diözese Pinsk ist nicht vertreten).
Ziel der Publikation ist nicht zuletzt die Klärung der Frage, welchen Einfluss auf die nationale Identität der Katholiken in Weißrussland die immer breitere Verwendung des Weißrussischen in der katholischen Kirche hat (S. 13). Die Autorin, Ewa Golachowska, ist Professorin für slawistische Linguistik an der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Zu ihren Interessengebieten gehören neben dem polnisch-ostslawischen Sprachkontakt und dem Verhältnis von Religion und Sprache die Sprache und Kultur des masowischen und podlachischen Kleinadels. Dem Forschungsthema der hier besprochenen Studie fühlt sich Golachowska nach eigenen Angaben auch persönlich verbunden. Zum einen stammen ihre Großeltern aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten (Kresy), wurden im Stalinismus nach Nordrussland verbannt und konnten schließlich nach Warschau übersiedeln. Zum anderen beschreibt sich die Autorin selbst als gläubige Katholikin und reflektiert nachvollziehbar die Folgen dieser Tatsache für ihre Perspektive als Forscherin (S. 15).
In ihrer Darstellung des Forschungsstandes (S. 17-23) verweist Golachowska auf die Lehrmeinung, dass die ländliche Bevölkerung Weißrusslands die Begriffe „Polak“ und, im Kontrast dazu, „Białoruski“ bzw. „Ruski“ bis heute eher religiös als national verstehe, nämlich den erstgenannten im Sinne von „Katholik“, den letztgenannten im Sinne von „Orthodoxer“ (S. 19). Unter den Polen Weißrusslands differenziert die Forschung zudem zwischen zwei Gruppen, die sich durch Abstammung und Sprachgebrauchunterscheiden: einerseits die Nachfahren des Kleinadels („szlachta“), die domänenübergreifend das Polnische benutzen, undandererseits die „Bauern“ („chłopi“), die das Polnische ausschließlich als Sakralsprache verwenden, ansonsten dialektales Weißrussisch (S. 19f).
Für den allmählichen Rückgang des Polnischen als Sakralsprache des weißrussischen Katholizismus gilt das Jahr 1992 als Ausgangspunkt. Auf der Wogeder nationalen „Wiedergeburt“ Weißrusslands – die damals noch Regierungspolitik war – entstand eine Kommission zur Übersetzung liturgischer Texte ins Weißrussische, auch als Reaktion auf Studien zur polonisierenden Rolle des Katholizismus (S. 18). Alarmierende Berichte, nach denen die Katholiken in Belarus nun depolonisiert würden, waren seitdem nicht nur von älteren Gläubigen zu hören, sondern auch aus der polnischen Forschung (S. 22).
Die synthetische Darstellung ihrer eigenen Forschungsergebnisse (S. 25-94) beginnt Golachowska mit der Feststellung, dass die West-Ost-Teilung Weißrusslands aus der Zwischenkriegszeit für die sprachliche Situation weiterhin wichtig sei. Im Osten ging die ohnehin nur vereinzelte Verwendung des Polnischen infolge des Stalinismus und der prorussischen Sprachenpolitik weiter zurück (S. 26). Heute hängt die Situation in den wiederrichteten katholischen Pfarrgemeinden Ostweißrusslands von der „persönlichen Sprachenpolitik“ der Geistlichen ab (S. 28); insgesamt aber dominiert das Weißrussische als Liturgiesprache (S. 29).
In Westweißrussland blieb nach dem Zweiten Weltkrieg trotz der Repatriierung der polnischen Intelligenz und, zum Teil, der Szlachta-Familien (1944-1947) der Anteil polnischstämmiger Bevölkerung bedeutender. Durch die politisch geförderte Arbeitsmigration aus Ostweißrussland und anderen Teilen der Sowjetunion, zahlreiche Mischehen sowie das De-facto-Verbot polnischer Schulen schwand jedoch auch hier das Polnische. Verborgenes Prestige besaß es zur Sowjetzeit als Sprache „verbotener“ Literatur, darunter auch übersetzter Weltliteratur (S. 36), während sein heutiger Stellenwert in Westweißrussland stark ökonomisch beeinflusst ist:Wirtschaftskontakte der Region Hrodna nach Polen sowie die „Karta Polaka“, die den Zugang zu Studienplätzen, Stipendien und Arbeitsvisa in Polen ermöglicht, machen Polnischkenntnisse für die junge Generation zum „Trampolin in den Westen“ (S. 37, 43).
Zur Sprachverwendung der Katholiken Westweißrusslands bis zum Alter von 45 Jahren bietet die Autorin eine Tabelle (S. 43), in der die Verwendung der weißrussischen Standardsprache überbetont scheint und für dialektales Weißrussisch die wertende Bezeichnung „mowa prosta“ („einfache Rede“) benutzt wird. Problematisch ist zudem die fehlende Diskussion dessen, inwieweit unter die Kategorien „mowa prosta“ und „język białoruski“ auch Mischungen weißrussischer mit russischen und/oder polnischen Sprachstrukturen und -elementen zu fassen sind, d.h. unter anderem die sogenannte „Trasjanka“. Hier schlägt sich nieder, dass die Autorin zwar ein soziolinguistisches Herangehen an ihren Forschungsgegenstand postuliert (S. 41), in der vorliegenden Studie aber keine quantifizierenden Analysen von Sprachstrukturen in Abhängigkeit von sozialen Situationen vornimmt.
Während die junge Generation der weißrussischen Katholiken in ihrem Erwerb von Polnischkenntnissen unter anderem – aber keineswegs ausschließlich – den genannten ökonomischen Motiven folgt, überwiegt für die älteste Generation die symbolische und emotionale Komponente des Sprachgebrauchs. Die ältesten Informanten begegnen der zunehmenden Verbreitung des Weißrussischen als Sprache der katholischen Liturgie mit der stereotypen Klage „Chcą nas zruszczyć“ („Man will uns russifizieren“). Zu Recht wertet Golachowska dies als „Paradoxie“ (S. 47), da die staatliche Sprachpolitik unter Lukašėnka dem Weißrussischen nur eine marginale Rolle zubilligt und in fast allen Domänendas Russische begünstigt.
Eine weitere Paradoxie ist auf den ersten Blick, dass sich gegen die Verwendung des Weißrussischen als Kirchensprache auch Gläubige aussprechen, die im Alltag so gut wie kein Polnisch, sondern die „mowa prosta“ (d.h. dialektales Weißrussisch, ggf. mit russischen und polnischen Einflüssen, s.o.) verwenden (S. 56). Kenntnisreich bezieht die Autorin in diesem Zusammenhang ihre Feldstudien auf den Forschungsstand zum religiösen Sprachprestige (die wichtige Unterscheidung von overt und covert prestige nach Trudgill fehlt allerdings) und zu den Domänen religiöser Sprachverwendung, in denen die symbolische und die kommunikative Funktion von Sprache ein jeweils unterschiedliches Gewicht haben (S. 53-77). Im Gegensatz zur symbolisch aufgeladenen Domäne der Liturgie ist die Sprachwahl zwischen Polnisch und Weißrussisch in der Katechese offenbar weniger konfliktträchtig. Gleichzeitig lässt sich auch hier eine Tendenz zum Weißrussischen feststellen, dem die Eltern überwiegend wegen der besseren Verständlichkeit für ihre Kinder den Vorzug geben (S. 63).
Hinsichtlich des Verhältnisses von religiösem Bekenntnis und Sprache zum nationalen Selbstverständnis der Katholiken in Weißrussland (Kap. III, S. 79-91) liefert Golachowskas Studie ein differenziertes Bild, besonders mit Blick auf die junge Generation: Diese gestalte ihre Identität aktiv (S. 93) zwischen Bindung an die weißrussische Heimatregion und Loyalität zu Polen (S. 83), dabei mitunter von den Weißrussen als „przeki“ belächelt und in Polen als „ruscy“ zurückgewiesen (S. 84f). Das Ergebnis sind komplexe Kombinationen aus Sprache, Religion und nationaler Identität, etwa im Fall einer polnischstämmigen Studentin in Minsk, die sich als Polin fühlt, weißrussischsprachige Gottesdienste besucht und im Alltag – sowie im Interview mit der Autorin – Russisch spricht, mit ihren Eltern dagegen dialektales Weißrussisch (S. 87). Eine andere Kombination von „Identitätsbausteinen“ weist eine ebenfalls polnischstämmige Studentin auf, die im Interview Polnisch spricht, sich aber als Weißrussin identifiziert, da sie in Weißrussland geboren ist und mit ihren Kommilitonen Weißrussisch spricht (S. 88).
Die Interviewtranskripte im zweiten Teil der Publikation (S. 97-162) bieten aufschlussreiches biographisches Material zur Situation weißrussischer Katholiken im Stalinismus, in den Nachkriegsjahrzehnten sowie in den frühen 1990er Jahren, als das Gemeindeleben wieder aufgebaut wurde. Gerade die Gespräche mit den ältesten Gewährspersonen zeigen, dass es der Autorin gelungen ist, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, in dem auch schwierige Lebensabschnitte, Vorurteile zwischen Katholiken und Orthodoxen sowie Konflikte innerhalb der wiederrichteten Pfarrgemeinden freimütig zur Sprache kommen. Alles in allem bleibt der Eindruck einer informativen und gut lesbaren Monographie, die zugleich wertvolle Impulse für umfangreichere und methodisch „strengere“ soziolinguistische und sprachsoziologische Studien unter den Katholiken Weißrusslands liefern kann.