Dlaczego w Polsce jest źle? Czy można to zmienić? Minęło ćwierćwiecze od transformacji ustrojowej w Polsce. Choć różne dane wskazują na całkiem dobrą kondycję polskiej gospodarki, społeczeństwo nie jest w najlepszym stanie. Młodzi ludzie masowo emigrują, spada liczba urodzeń, instytucje publiczne są nieefektywne, brakuje poczucia wspólnoty między Polakami, a na scenie politycznej rozgrywa się pełen afer medialny spektakl. Czy istnieje wyjście z tej sytuacji? Jan Sowa, autor szeroko komentowanej książki Fantomowe ciało króla, pokazuje źródła tego stanu rzeczy, obala mity na temat polskiej historii, poddaje błyskotliwej i krytycznej analizie dominujące w Polsce nurty polityczne: konserwatyzm oraz neoliberalizm i w przystępny sposób wskazuje, że istnieje też trzecia droga…
Jan Sowa (2015)
Inna Rzeczpospolita jest możliwa! Widma przeszłości, wizje przyszłości
- Beitrag vom: 23.04.2015
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Empfohlen von Dr. Agnieszka Zagańczyk-Neufeld
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Inna Rzeczpospolita jest możliwa! Widma przeszłości, wizje przyszłości
Rezensiert von Dr. Agnieszka Zagańczyk-Neufeld
- Beitrag vom: 21.01.2016
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Rezension von
Dr. Agnieszka Zagańczyk-Neufeld
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Redaktionell betreut von
Dr. Dobrochna Kałwa
Dorothea Traupe
„Die Hauptschwäche der Linken bestand nicht darin, daß sie aus der Negierung erwuchs, sondern daß ihre Negierung nur das Niveau eines moralischen Protestes erreichte und nicht das Niveau praktischen Denkens." – schrieb Leszek Kołakowski im Jahre 1957 [1]. Mit solchen Vorwürfen hat die Linke bis heute zu kämpfen, und auch dem in Polen breit diskutierten Buch von Jan Sowa wurde oft ein netter, aber unrealisierbarer Utopismus vorgeworfen. Der Umschlag des Buches – entworfen von Wojtek Kwiecień-Janikowski – ist zwar vielversprechend: Der weiße Adler aus dem polnischen Staatswappen wurde auf den Kopf gestellt. Doch wer das Buch voller Hoffnung auf ein neues politisches Programm aufschlägt, wird enttäuscht. Das ist auch dem Autor bewusst, der betont, er wolle keinen „Führer" schreiben (der Hinweis des Autors, dass das polnische Wort „przewodnik" auf Deutsch „Führer" heißt, soll verdeutlichen, warum) (S. 194-195). „Przewodnik" kann jedoch auch als „Leitfaden" übersetzt werden – und als ein Leitfaden enttäuscht das Buch nicht. „Inna Rzeczpospolita" und ihre Rezeption in Polen bieten nämlich einen Überblick sowohl über die heutigen ideellen Auseinandersetzungen, als auch über den Zustand der jüngeren Generation der polnischen Linken.
Jan Sowa arbeitet als habilitierter Soziologe und Kulturwissenschaftler an der Jagiellonen-Universität Krakau am Lehrstuhl für Literaturanthropologie und Kulturwissenschaften. „Inna Rzeczpospolita" – eine Andere Republik – ist keine Qualifikationsarbeit, sondern ein politischer Essay, der eine breitere Öffentlichkeit zum Nachdenken über eine „Demokratisierung der Demokratie" (S. 269) in Polen bringen soll. Seine Argumentation entwickelt er in vier Kapiteln: „Heute in Polen", „Die Zukunft einiger Illusionen" (wobei hier die aus der Sicht Sowas wirklichkeitsfernen Denktraditionen: Konservatismus und Liberalismus gemeint sind), „Solidarność – ein kommunistisches Ereignis" und „Res-publica [Rzecz-pospolita] –das Gemeinwohl". Dabei knüpft er teilweise an seine früheren Bücher an, vor allem an „Fantomowe ciało króla" (Kraków 2001).
Polen sei ein Land, das als abstrakte Idee von allen geliebt, doch dessen Realität gehasst werde – stellt Sowa im ersten Kapitel fest. Die Moderne habe in Polen nicht stattgefunden, das Land sei kulturell zu homogen. Insbesondere der Verlust der jüdischen Bevölkerung, die vor dem Zweiten Weltkrieg einen festen Bestandteil der polnischen Kultur darstellte, hätte nach dem Holocaust und nach späteren Ausbrüchen des Antisemitismus eine große Lücke hinterlassen (S. 11). Die allgemeine Politikverdrossenheit mache deutlich, dass das System in Polen sein emanzipatorisches Potential verloren habe (S. 18). Die politischen und intellektuellen Eliten hielten an der alten polnischen Auseinandersetzung zwischen Konservatismus und Liberalismus fest: Die Konservativen sähen Polen historisch für die Rolle des lokalen Hegemonen in Mittelosteuropa prädestiniert, die Liberalen würden dagegen bloß die westliche Modernisierung imitieren (S. 19). Die Austragung politischer Konflikte in diesen Kategorien, lasse jedoch keine ernsthafte Diskussion über eine emanzipatorische Modernisierung Polens zu (S. 28).
Das erste Kapitel lässt erkennen, dass es sich nicht um eine erneute Kritik an der vermeintlichen „Verwestlichung" aus der konservativ-republikanischen Ecke handelt. Sowa teilt postdemokratische Krisendiagnosen und beruft sich dabei auf den letzten Band der sog. Trilogie von zwei Postmarxisten, Michael Hardt und Antonio Negri [2], „Commonwealth" – der auf Polnisch 2012 unter dem Titel „Rzecz-pospolita" [3] erschienen ist. Hardt und Negri folgend, schlägt Sowa ein neues Politikmodell vor, in dem die Menge – Multitude – der bisher Armen und Ausgeschlossenen über ihr Gemeinwesen entscheidet. Nicht ohne Grund heiße Polen auch „Rzeczpospolita" [Res Publica], betont Sowa, denn sie sei nicht nur ein parlamentarisches Regierungssystem, sondern auch ein Gemeinwesen (res publica) (S. 37).
Dieses neue Politikmodell sei in Polen besonders gut umsetzbar, da es schon ein konkretes Programm in diese Richtung gegeben habe – das Programm der ersten Solidarność, das auf dem Ersten Landeskongress [Krajowy Zjazd Delegatów] 1981 verabschiedet wurde (S. 37). Obwohl das Programm in einem anderen historischen Kontext entstand, seien seine Abkehr von der Dichotomie „privat/öffentlich" sowie sein Konstrukt des „Gemeineigentums" [własność społeczna] für einen Entwurf des „dritten Weges" im gegenwärtigen Polen durchaus brauchbar.
An dieser Stelle des Buches würde man gerne mehr Details zu dem neuen Politikmodell erfahren. Dem pointierten Einstieg Sowas folgt im zweiten Kapitel jedoch eine vertiefte Kritik des Konservatismus und des „polnischen Pseudo-Liberalismus" (S. 75). Zurecht weist der Autor auf die durch die Konservativen nur selektiv wahrgenommene Geschichte des Königreichs Polen-Litauen hin. Besonders kritisiert er den Sarmatismus – den Heldenmythos des polnischen Adels [4]. Die Verfechter des Sarmatismus-Kults würden gerne vergessen, dass das Königreich Polen-Litauen zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert ein koloniales Imperium gewesen und auf den Schultern von Leibeigenen aufgebaut worden sei (S. 61). Auch die schwierigen polnisch-russischen Verhältnisse hätten hier ihren Ursprung, denn diese beiden „kolonialen Imperien" hätten versucht, das gleiche Territorium – die Ukraine – zu kolonisieren (S. 62).
Obwohl eine Diskussion über den konservativen Blick auf die polnische Geschichte notwendig ist, muss man doch der Tatsache gerecht werden, dass der Konservatismus in Polen etwas mehr war und ist, als nur die antiwestlichen Ausführungen des Bremer Professor und Politikers der Partei Recht und Gerechtigkeit [Prawo i Sprawiedliwość, PiS], Zdzisław Krasnodębski, auf den sich Sowa bezieht. Schon in den 1980er-Jahren gab es in einigen systemkritischen Kreisen Versuche, Wirtschaftsliberalismus mit christlicher Ethik und einigen konservativen Überzeugungen zu verbinden [5]. Sowas Polemik wäre noch interessanter, wenn er an dieser Stelle die vielfältigen Konzepte der polnischen Konservativen berücksichtigen und kritisieren würde.
Weder im Liberalismus noch im Konservatismus sieht Sowa die Lösung für die heutigen Probleme Polens. Er sucht nach einem „dritten Weg", der jedoch nicht sozialdemokratisch verstanden werden solle (S. 29). Es sei nie gelungen, den Kommunismus zu verwirklichen, betont Sowa im dritten Kapitel, und auch die Sozialdemokratie nach 1989 hätte keine überzeugenden Lösungen geliefert (S. 30). Vielversprechend für Sowas „dritten Weg" seien die Erfahrungen der Gewerkschaft Solidarność (dt. Solidarität). Sie habe die kommunistischen Ideale und die Traditionen der „autonomen Arbeiterbewegung" (S. 148), an die die Partei selbst längst nicht mehr geglaubt habe, ernst genommen (S. 178), und ein Programm der – wie es im Original heißt – „Selbstverwalteten Republik" in einem radikaldemokratischen, transparenten Prozess verabschiedet (S. 141) [6]. Das Programm könne laut Sowa im Geiste der Trilogie von Hardt und Negri gelesen werden und somit einen originellen polnischen Beitrag zu Theorien des Gemeinwesens bilden.
Im letzten Kapitel versucht der Autor, die Übereinstimmungen des Programms mit heutigen Entwicklungen in der Politik und der öffentlichen Sphäre aufzuzeigen. Dieser Abschnitt des Buches überzeugt nur teilweise, da sich Sowa kaum auf konkrete Zitate aus dem umfangreichen Programm oder auf praktische Beispiele beruft, und sich stattdessen auf sehr allgemeine Definitionen des Gemeinwesens konzentriert, deren praktische Umsetzung im Alltag nicht vorstellbar ist. Unter dem Begriff „Gemeinwesen" versteht Sowa weder materielle noch „moralische" Güter, sondern „eine Art Kapital – also gleichzeitig einer Ressource und eines gesellschaftlichen Verhältnisses" [rodzaj kapitału – a więc jednocześnie zasobu i relacji społecznej] (S. 189). Sowa ist überzeugt, dass selbstorganisierte Mitglieder eines gegebenen Gemeinwesens um das Wissen über das Funktionieren dieses Gemeinwesen verfügten, und auf einem demokratischen Wege entscheiden könnten, wie man dieses am besten nutzen solle (S. 191). Reale Beispiele nennt er jedoch nur stichwortartig: Tierweiden in der Türkei, in der Schweiz, Spanien und in den Philippinen, Fanggründe in Japan und in den USA (S. 191-192). Moralisch gesehen – um Kołakowski zu paraphrasieren – ist Sowas Projekt erstrebenswert, das Niveau des praktischen Denkens und der konkreten Umsetzung aber fehlt.
Da der Verfasser jedoch kein Parteiprogramm schreibt, kann ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er keine konkreten Gesetzesentwürfe präsentiert. Die Kritik an Sowas Projekt kann dagegen an zwei anderen Stellen angesetzt werden: Fraglich ist zum einen der von Sowa angenommene „urdemokratische Charakter" der Solidarność. Die Idee, zu den Quellen der Bewegung zurückzukehren und sie genau zu lesen, ist auf jeden Fall nachvollziehbar. Zurecht erinnert Sowa daran, dass es im Programm weder um die Einführung der liberalen Demokratie, noch um die Verfestigung der starken Rolle der katholischen Kirche im politischen Leben Polens gegangen sei (S. 147, 169). Der reine Inhalt des Solidarność-Programms weist tatsächlich Ähnlichkeiten mit anderen linken Projekten eines „dritten Weges" in Europa auf. Das Problem liegt auch nicht darin, dass das Programm aus einem anderen historisch-politischen Kontext stammt, denn die Ideengeschichte kennt zahlreiche Beispiele von Texten, die aus ihrem Kontext gerissen neu und konstruktiv gelesen wurden. Dazu gehört zum Beispiel das Kommunistische Manifest, das oft wie ein zeitgenössisches Dokument behandelt wird. Problematisch erscheint jedoch Sowas Diagnose, die Arbeiter hätten in einer autonomen Bewegung „von unten" das Programm formuliert, die Eliten aber hätten diese Errungenschaft übernommen und schließlich zerstört (S. 167-169). Der an anderen Stellen des Buches so kritische Autor ist von der selbstorganisierten Arbeiterbewegung sichtlich begeistert und räumt nicht ein, dass es auch in der Solidarność Interessenkonflikte und wertebezogene Meinungsunterschiede gab. Das Programm der Selbstverwalteten Republik wurde nach heutiger Kenntnis vor allem von Bronisław Geremek und Jacek Kuroń entworfen – zwei Experten, die auf den Solidarność-Versammlungen nicht zu den gern gesehenen Gästen zählten. [7] Das spricht zwar für Sowas These vom „Verrat der Intellektuellen" (S. 167), zeigt aber auch die Grenzen der programmatischen Kraft einer autonomen Massenbewegung auf.
Die zweite Kritikebene betrifft die vom Autor gewissermaßen vorausgesetzte Bereitschaft der BürgerInnen zu einer sehr intensiven politischen Partizipation an seinem Konzept der „Inna Rzeczpospolita" (dt. Anderen Republik). Gemessen an der Wahlbeteiligung in Polen, die seit 1989 fast immer um 50 Prozent oszilliert, hält sich die Begeisterung der Gesellschaft für die Gestaltung der Landes- und Lokalpolitik in Grenzen. Ungefähr die Hälfte der Polen sind der Meinung, dass sie keinen Einfluss auf die Landes- und Staatspolitik haben [8] (interessant wäre es, zu wissen, wie hoch der Anteil in der Wähler- oder Nichtwähler-Gruppe ist). Kann es 25 Jahre nach einem radikalen politischen Umbruch wieder zu einer neuen radikalen Veränderung kommen? Wie schnell – und von wem – würde sie (wieder) als nicht demokratisch genug kritisiert? Emanzipation erfordert Partizipation, Aktivität, Kreativität der Multitude, die dadurch imstande wäre, die Gesellschaft und das Politische neu zu definieren. Nicht ganz gelöst bleibt bei Sowa das Problem der Interessen- und Wertekonflikte, der Machtkämpfe, und schließlich auch die Frage, ob die Verwaltung eines Gemeinwesens „von unten" tatsächlich die Chancengleichheit bei der Nutzung sichern würde. Diese Fragen richten sich natürlich nicht nur an Sowa, sondern generell an linke Emanzipationsprojekte.
Sowas Buch, das ich als eine Art „linken Republikanismus" bezeichnen würde, erwies sich interessanterweise als eine theoretische Herausforderung für die jüngere Generation der polnischen Linken, großenteils vereint um die Zeitschrift „Krytyka Polityczna" (dt. Politische Kritik, kurz „KP"). Die letzten Krisen in Griechenland und vor allem in der Ukraine veranschaulichen sehr deutlich, dass sich die Proletarier aller Länder – anders als es sich Marx und Engels im Kommunistischen Manifest wünschten - lieber mit ihren Ländern als mit anderen Proletariern, sobald die Idee des Internationalismus das Niveau des praktischen Denkens erreicht, vereinigen. [9]. Sowas Projekt scheint in diesem Kontext ein Versuch zu sein, das linke Denken von der schweren Last des Internationalismus zu befreien und es den Linken stattdessen zu erlauben, auf die Traditionen der eigenen „Rzecz-pospolita" zurückzugreifen. Diese Richtung gefiel manchen Mitarbeitern der KP nicht [10]. Man darf gespannt sein, ob das Monopol, das die KP für den Entwurf eines linken Projektes in Polen in den letzten Jahren für sich beansprucht hat, durch diese Auseinandersetzung infrage gestellt und möglicherweise sogar gebrochen wird.
[1] Kołakowski, Leszek: Sens ideowy pojęcia lewicy. In: Po Prostu 8/1957 (hier zit. nach: Ders.: Der Sinn des Begriffes »Linke«, in: Ders.: Der Mensch ohne Alternative. Von der Möglichkeit und Unmöglichkeit, Marxist zu sein. München 1964, S. 142-162, hier S. 158). Herv. des Autors.
[2] Michael Hardt/Antonio Negri: Empire. Cambridge, Mass. 2000; Dies.: Multitude: War and Democracy in the Age of Empire. New York 2004; Dies.: Commonwealth. Cambridge, Mass. 2009.
[3] Michael Hardt/Antonio Negri: Rzecz-pospolita. Poza własność prywatną i dobro publiczne. Kraków 2012.
[4] Zum Sarmatismus siehe u. a. Hans-Jürgen Bömelburg: Sarmatismus – Zur Begriffsgeschichte und den Chancen und Grenzen als forschungsleitender Begriff. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 57(2009), S. 402-408; Magdalena Długosz [u. a.] (Hg.): Sarmatismus versus Orientalismus in Mitteleuropa. Berlin 2012
[5] Interessierte Leser seien verwiesen vor allem auf Rafał Matyja: Konserwatyzm po komunizmie. Warszawa 2009 und Jacek Kloczkowski/Michał Szułdrzyński (Hg.): Drogi do nowoczesności. Idea modernizacji w polskiej myśli politycznej. Kraków 2006.
[6] Das Programm wurde als Beilage zu „Tygodnik Solidarność" Nr. 29 vom 16. Oktober 1981 abgedruckt.
[7] Siehe dazu umfangreiche Notizen von Jacek Kuroń: Gwiezdny czas. Londyn 1991.
[8] Vgl. Polen-Analysen Nr. 159, 3.3.2015, www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen159.pdf
[9] Linke Gruppierungen wie die polnische Krytyka Polityczna und die russische Chto Delat, die miteinander in Kontakt stehen, scheinen z.B. die Rollen ihrer Heimatländer im Ukraine-Konflikt durchaus unterschiedlich zu sehen – Vgl. http://chtodelat.org/b5-announcements/a-7/open-letter-who-are-the-friends-of-political-critique-krytyka-polityczna/.
[10] Jan Sowa: O co chodzi Gduli? In: Dziennik Opinii nr 126/2015 (910), http://www.krytykapolityczna.pl/artykuly/opinie/20150505/sowa-o-co-chodzi-gduli.